Gedankenfreiheit
Dem kleinen Gedanken wachsen die ersten Zähnchen
noch ohne Schuhe klettert er aus dem Herz
unsicheren Schrittes hinein in den Kopf
um seinen Hut zurecht zu rücken
Er wagt einen Blick durchs Pupillenschwarz
fängt eine raschelnde Schachtel auf
mit verlockendem Augenaufschlag zwinkert sie ihm zu
hält ihren Deckel fest verschlossen
Der Gedanke wächst, hat alle seine Zähne
zieht sich Stiefel an, schreitet mit eiligen Schritten
zwischen Herz und Kopf hin und her
faltet seine Wimpernkränze übereinander
Er hört die Schachtel geheimnisvoll wispern
lässt sich verführen von ihren Sirenengesängen
nimmt ihre lächelnde Einladung ein
mit ihrer schillernden Farbpalette gemeinsame Bilder zu malen
Der kleine Gedanke wird wird groß und größer
wirft Dämmerung und Schatten über Herz und Kopf
Seine Raubtierzähne verbeißen sich
im Labyrinth des Schachtelrattennestes
Da steckt er nun fest, der Gedanke
beißt sich die Zähne aus, verliert sich im Wirrgang
gesellt sich zu Riesen und Klapperschlangen
und ist doch nur einfach falsch
Niemand wird ihn warnen können
Sabine Schmitt, 2013